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ausstellung

GIUSEPPE TERRAGNI. Modelle

9. März 2001 – 0:008. Mai 2001 – 0:00

9. März bis 8. Mai 2001

Es fällt schwer, von den in Norditalien konzentrierten Werken dieses Baumeisters nicht fasziniert zu sein. Giuseppe Terragni (1904-1943) war in den 20er und 30er Jahren der ungekrönte König unter den “Rationalisten“, wie sich die Architekten der italienischen Moderne selbst nannten. Vom bisweilen puristischen Funktionalismus im Deutschland der 20er Jahre unterschieden sich Terragnis Bauten nicht nur durch Symmetrie, kristalline Poetik und ausgesuchte Proportionen, sondern oft auch durch das Material. Wo die Bauhäusler weiß verputzte “sachliche“ Oberflächen einsetzten, wählte er Steinverkleidungen aus dem schon von den Römern benutzten Marmor, der in den Steinbrüchen Italiens reichlich vorhanden war.

Das Apartmenthaus “Novocomum“ in Como (1928) mit eingeschobenen Glaszylindern an den Ecken ist nicht nur Terragnis brillanter Erstling; es markiert zugleich den Durchbruch der rationalistischen Architektur in Italien. Die “Casa Rustici“ in Mailand (1936) besticht durch die Zerlegung der Fassade in ein perfekt komponiertes Liniensystem aus schattenwerfenden Sonnenblenden, vorgehängten Laufgängen und Balkonen, das bis in das Fugennetz der Marmorverkleidung fortgesetzt wird. Terragnis poetischster Entwurf (1938, mit Pietro Lingeri) wurde nicht ausgeführt: das beim Colosseum in Rom geplante “Danteum“, ein dem Dichter Dante Alighieri gewidmetes Studienzentrum und Museum. Die Anordnung der Räume und des Lichteinfalls galt einer modernen Nachinszenierung von Schauplätzen der “Göttlichen Komödie“. Wie Dante und sein Begleiter Vergil sollte der Besucher zunächst die Hölle betreten und dann Raum für Raum zum Paradies aufsteigen, einem zum Himmel offenen Raum, der einen quadratischen Wald aus 32 gläsernen Säulen umschloß.

Man ahnt es schon: hinter so makelloser Schönheit lauert eine häßliche Kehrseite der Medaille. Bei Terragni liegt sie im nie verleugneten politischen Bekenntnis des Architekten, der ein überzeugter Faschist war und sich selbst nicht als Widerständler, sondern als Mitarbeiter an der gewaltförmigen faschistischen “Revolution“ Mussolinis gesehen hat. Der italienische Diktator war kein Verächter der Architekturmoderne. Im Unterschied zum “Dritten Reich“ wurde die Avantgarde nicht verfolgt oder in den Industriebau verdrängt, sondern zu anspruchsvollen Staatsaufgaben ebenso herangezogen wie die konservativen Kollegen. So kam es zum Bau von Terragnis “Casa del Fascio“ in Como, dem 1936 fertiggestellten regionalen Büro der faschistischen Partei, das als kubischer Baublock über ein Quadrat hochgezogen wurde. Bei den in weißem Marmor gefaßten Außenwänden ließ Terragni offene und geschlossene Flächen kontrastieren, die die rigide Grundform wirkungsvoll brechen.

Terragnis Bauten stehen nicht auf Kriegsfuß mit den Altbauten in der Umgebung. Im Unterschied zu den deutschen Avantgarde-Kollegen, die ihre neuen Siedlungen und Villen an der Peripherie errichteten und für die alten Stadtkerne kaum etwas anderes als Totalabrisse vorsahen – die dann nicht von ihnen, sondern im Luftkrieg des Zweiten Weltkriegs ausgeführt wurden – baute Terragni seine Häuser im Kontext der bestehenden Stadt, deren Proportionen und Typologien nicht verworfen, sondern aufgenommen werden. Wer die Casa Rustici oder die Casa del Fascio im Detail untersucht, wird in ihnen Grundriß- und Fassadenmuster norditalienischer Hofhäuser, aber auch römischer und venezianischer Renaissancepaläste wiederfinden.

Terragnis Bauten sind der Gegenbeweis zu dem gerade in Deutschland geglaubten Dogma, das besagt, Diktaturen würden sich stets monumentaler Herrschaftsarchitektur à la Speer bedienen, und die Architekturmoderne sei von Natur aus der Architekturstil der Demokratie. Das Beispiel Terragnis zeigt, daß die Wirklichkeit komplizierter ist. Er selbst bezahlte für seine Treue zum Regime mit dem Tod. Die wegen seiner angegriffenen Gesundheit verfügte Entlassung von der russischen Front, an der er jahrelang als Soldat verbracht hatte, überlebte er 1943 nur um wenige Monate.

Die Ausstellung im Deutschen Architektur Museum zeigt das Werk Terragnis in einer Auswahl rekonstruierter Architekturmodelle von außergewöhnlicher haptischer und optischer Qualität. Die Faszination für die Architektur Terragnis veranlaßte eine Gruppe von Professoren und Studenten des Fachbereichs Architektur der Fachhochschule Hamburg, die Bauten und Entwürfe in Holzmodellen im Maßstab 1:50 zu rekonstruieren. Aus dem Rahmen fällt das besonders große Modell des Danteums aus Gips, Holz, Acryl und Styroporkernen. Die unter der Leitung von Jörg Friedrich und Dierk Kasper entstandenen Modelle sind z. T. aufgeklappt, so daß der Besucher auch die innere Struktur studieren kann. Die zuvor in Hamburg, Berlin und Gelsenkirchen gezeigte Ausstellung hat im DAM ihre vorerst letzte Station.

 

Details

Beginn:
9. März 2001 – 0:00
Ende:
8. Mai 2001 – 0:00
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Ort

DAM Deutsches Architekturmuseum
Henschelstr. 18
Frankfurt / M., Hessen D-60314 Deutschland
Telefon:
+49 (0)69 212-38844

Organisator

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