DAM Reallabor – Wohnzimmer Hauptwache

Teilhabe als zentrales Element
Das DAM-Reallabor „Wohnzimmer Hauptwache“ belebte als Teil des Modellprojekts „Post-Corona-Stadt“ im Herbst 2022 die Frankfurter Innenstadt und ist auch in diesem Jahr dort aktiv.
Herkommen, mitmachen und einbringen – so lautete das Motto des DAM-Reallabors „Wohnzimmer Hauptwache 2022“. Im Herbst verwandelte sich einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt, die Frankfurter Hauptwache, in ein Testfeld für integrierte Stadtentwicklung. Musik- und Sportevents sowie Gesprächsformate und künstlerische Interventionen luden die Menschen dazu ein, Visionen und Perspektiven für die Hauptwache zu entwickeln. Gemeinsam mit Passant*innen, Expert*innen, Künstler*innen und offiziellen Stadtmacher*innen stellte das DAM die Frage, wie eine lebenswerte Innenstadt der Zukunft aussehen könnte. Hintergrund für das museale Stadtraum-Experiment ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Frankfurt. Dieses läuft im Rahmen des nationalen Förderprogramms „Post-Corona-Stadt“ und wird durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik gefördert.
Sitzen als Schlüssel zum Erfolg
Mit dem Reallabor schuf das DAM nicht nur eine neue museale Fläche im öffentlichen Raum. Es etablierte auch eine Plattform zur Vernetzung der städtischen Akteure und bescherte ihnen dadurch die Möglichkeit, neue Ideen auszuprobieren. Das „Wohnzimmer Hauptwache“ begeisterte Jung und Alt für das Thema „Stadtmachen“ sowie die verschiedenen Möglichkeiten, sich an diesen Prozessen zu beteiligen. So nahmen Passanten und geladene Gäste am Esstisch in der „WG-Küche“ Platz. Im Schutz des Cafés Hauptwache entstand dort unter freiem Himmel eine vollständig eingerichtete Küche – ein Ort, um Innezuhalten und gleichzeitig bei einer Tasse Tee und Keksen ins Gespräch zu kommen.
Schwarz-weiße Treppenelemente, die „Talking Stairs“, luden dazu ein sich niederzulassen. In der B-Ebene der Hauptwache, im Raum 44, trafen sich die Menschen, um zu diskutieren und Lesungen zu hören und die Kammerphilharmonie Frankfurt nutze die Herrenunterwäsche-Abteilung des Kaufhauses Galeria als Bühne für ihre Karstadt-Konzerte. Kinder und Jugendliche untersuchten Flora und Fauna im Workshop “Wildnis Hauptwache“ und entwarfen ihre ganz persönliche Vision der Hauptwache im Modellbau-Workshop.
Sport ist auch in der Innenstadt möglich
Wie der innenstädtische Raum durch ein Streetball-Event belebt werden kann und was ein offen zugängliches Sportprogramm für eine lebendige, offene und zukunftsorientierte Gesellschaft bedeutet, machten hingegen die EZB Basketballer mit dem „EZBB Open Gym“ vor. Im November dribbelten dort bis in die Abendstunden hinein junge und ältere Spieler*innen und auch Laufpublikum auf zwei bunt eingezeichneten Basketball-Courts und lieferten sich auf dem Vorplatz der Hauptwache spannende Turniere.
Opening Lunch

Zum Eröffnungslunch auf dem Vorplatz der Hauptwache kamen über 130 geladene Gäste zusammen, um bei einem informellen Mittagessen über die Zukunft der Frankfurter Hauptwache und Innenstadt zu diskutieren. Das Treffen ermöglichte eine Begegnung und einen konstruktiven Austausch zwischen beteiligten Ämtern, Dezernaten, Projektteilnehmer*innen und Bürger*innen. Die ungewöhnliche Szenerie der langen Tafel auf dem Vorplatz weckte das Interesse der Passantinnen und regte Diskussionen über die Umgestaltung des zentralen Platzes an. Der Lunch diente als Auftakt für ein Forschungsprojekt zur zukünftigen Entwicklung der Hauptwache.
Foto: Moritz Bernoully
Invisible Forces – Unsichtbare Kräfte
Schon bevor die ersten Programmpunkte starteten, begann der Künstler Rushy Diamond mit bunten Tapes Linien über den Platz zu ziehen, die die unsichtbaren Strukturen unter der Hauptwache widerspiegelten. Der Wunsch nach einer Umgestaltung der Hauptwache trifft auf zahlreiche unsichtbare Herausforderungen wie Feuerwehrzufahrten, Fluchtwege und den komplexen Verkehrsknotenpunkt unter der Erde. Diese „unsichtbaren Kräfte“ wurden künstlerisch als Phönix dargestellt, der sich während des Projekts nach und nach entfaltete. Die Interaktion des Künstlers mit den Passanten und die auffälligen Tapes regten zur Reflexion über die Komplexität des Umgestaltungsprozesses an.
Foto: Robert Metsch

Die unsichtbare Hauptwache

Gemeinsam mit Fabian Korner vom Autonomen Inklusionsreferat konnten jeweils 10 Besucher*innen die Hauptwache aus einer ungewohnten Perspektive und auf eine neue Weise erleben. Nach einer theoretischen Einführung, erfuhren die Teilnehmenden, wie sich eine Blinde Person im öffentlichen Raum orientieren kann. Darauf hin erkundeten sie mit verbundenen Augen, wie der Platz klingt, riecht und sich anfühlt, was zu überraschenden Erkenntnissen über das Erleben der Stadt ohne Sicht führte. Die Übung förderte ein besseres Verständnis für die Herausforderungen blinder Menschen und eröffnete eine neue Wahrnehmung der Hauptwache. Dabei wurde beispielsweise festgestellt, dass der Platz akustisch ruhig, aber optisch „laut“ wirkt, was Potenzial für eine Umgestaltung als Erholungsraum bietet.
Foto: Cornelius Pfannkuch
Klassik Island und das „Karstadt Konzert“
Die Konzerte der Kammerphilharmonie Frankfurt („Karstadt Konzert“) im Galeria Zeil waren mit über 300 Besucher*innen ein großer Erfolg und sorgten für eine angenehme, angeregte Atmosphäre vor einer großen Glasfront im 2. OG des Kaufhauses. Das interaktive Konzept mit Dirigenten-Tombola und der Nähe zwischen Orchester und Publikum wurde sehr geschätzt, und alle Beteiligten wünschten sich eine Wiederholung. Die Veranstaltung zeigte das Potenzial für eine Zusammenarbeit zwischen Handel und Kultur, wobei die Kooperation mit Galeria überwiegend positiv war und kleinere Unstimmigkeiten bei einem Nachbesprechungstreffen reflektiert wurden.
Foto: Moritz Bernoully

Goethe zu Gutenberg. Lesung mit Jakob Sturm

Die Einreichung „Goethe zu Gutenberg“ des Zeil-Antiquariats, federführend von Johanna Moraweg umgesetzt, lud Jakob Sturm als ersten Gast einer Lesungsreihe auf die Hauptwache ein, um über sein Buch Orte Möglichen Wohnens zu sprechen und daraus zu lesen. Gut 50 Gäste (Alter ca. 20-70 Jahre) lauschten und diskutierten in wechselnder Besetzung. Eine angeregte und ernsthafte Diskussion entstand mit vielen guten Beiträgen, die immer wieder auch aus dem Publikum, auf Augenhöhe mit den Vortragenden, geführt wurde. So wurde beispielsweise dem „Freiraum“ und dem “Nichts“, der/das keine konkrete Nutzung vorschreibt, eine zentrale Bedeutung bei der kreativen Neuentwicklung von Orten und Ideen, beigemessen. Gleichzeitig wurde auch die Wichtigkeit von gestalteten Orten hervorgehoben, 28 die durch eine zielgerichtete Gestaltung zu Katalysatoren gegenwärtiger Bestrebungen werden können.
Foto: Cornelius Pfannkuch
Wildnis Hauptwache
Offene Forschungsstation zur Artenvielfalt
Unter der Leitung von Natali Heger und Ruth Schlögl untersuchte die UAS-Frankfurt, in Kooperation mit dem KitaNetzwerk, die Artenvielfalt auf der Hauptwache. Mit einem mobilen Lastenfahrrad als Forschungsstation zogen Kindergruppen von 4-6 Jahren mit den Forscherinnen durch über die hauptwache, sammelten Proben und lernten ökologische Zusammenhänge kennen. Ausgestattet mit Mikroskop und Insektenpräparaten, bot die Station faszinierende Perspektiven in die Welt der Insekten. Der letzte Termin war für Passant:innen jeden Alters offen, an dem über 60 Personen an der Untersuchung teilnahmen. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in einem kleinen Guide über die Wildnis der Hauptwache zusammengefasst.
Foto: Felix Krumbholz

Mittwochswohnzimmer
Perspektiven aus der Nachbarschaft

Das erste Mittwochswohnzimmer wurde von Tobias Krauch und Philipp Sturm geleitet und richtete sich an die die unmittelbare Nachbarschaft sowie an Mitarbeiter:innen der umliegenden Läden. Ziel war es, ihre Wahrnehmung der Hauptwache zu erfassen und Ideen zur Platzgestaltung zu sammeln. Auch wenn nur eine Ladenangestellte und ferne BürgerInnen die Gruppe bildeneten, entstand doch eine rege Diskussion, bei der die Hauptwache als unwirtlich und als Durchgangsraum ohne Aufenthaltsqualität beschrieben wurde. Die Teilnehmenden wünschten sich eine Umgestaltung des Platzes zu einem einladenden Aufenthaltsraum mit verschiedenen Nutzungsbereichen, wie einem Spielplatz, Sportgeräten und einem Kiosk, um die Vielfalt der Nutzung und den Charakter des Platzes als Erholungsort zu fördern.
Foto: Felix Krumbholz
Talking Stairs
Stefan Hauser gestaltete mit seiner „Haufen-Installation“ und der ersten Aktion der Workshop-Reihe „Talking Stairs“ die Skater-Ebene neu, indem er mit Kuben und Treppenelementen verschiedene Aufenthalts- und Begegnungsräume schuf. Diese Elemente wurden von den Passanten sofort angenommen und durch ihre Form als Orte der Aneignung genutzt. Im Verlauf des Projekts wurden die Installationselemente für die die Besucher*innen der „Nachtschicht“ umgebaut. Die vielfältigen Möglichkeiten der Anordnungen der Elemente führten zu regem Austausch über die Aufwertung des öffentlichen Raums. Am 6. Oktober 2022 fand ein „Haufenspaziergang“ statt, bei dem sieben Teilnehmer*innen die Stadt aus einer neuen Perspektive betrachteten und kreative Ideen für zukünftige Entwicklungen entwickelten.
Foto: Felix Krumbholz

WG-Küche

An der Rückwand vom Café Hauptwache richtete die Künstlerin Christiane Rath für eine Woche ihre WG-Küche ein, die Besuchern eine gemütliche Atmosphäre mit Kaffee und Gebäck bot. Etwa 200 Menschen zwischen 30 und 70 Jahren nutzten die Gelegenheit, sich mit der Künstlerin und anderen Gästen über die Hauptwache und Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums auszutauschen. Die Raumgestaltung förderte persönliche Begegnungen und trug zur Vernetzung und Kooperation von Bürger*innen und Initiativen bei. Die Aktion zeigte, wie stark sich die Wahrnehmung eines öffentlichen Platzes verändert, wenn man länger verweilt und ihn aus einer anderen Perspektive betrachtet.
Foto: Felix Krumbholz
Frankfurter Sport und Kunst Kasino (FSKK)
Annette Gloser brachte gemeinsam mit vielen anderen Künstler*innen rund 20 Spielmodule auf den Vorplatz der Hauptwache (“die Bühne”), darunter Spielfelder, Tischtennisplatten, Fitnessgeräte und einen Schlägerverleih. Trotz schlechtem Wetter am 14.10.2022 besuchten ca. 100 Menschen die Spielstationen, während am Folgetag 300-400 Personen teilnahmen. Das Projekt schuf eine fröhliche Atmosphäre mit vielen Kindern und Jugendlichen, die das kostenlose Angebot sehr genossen. Es wurde eindrucksvoll gezeigt, wie stark ein solches kostenloses Freizeitangebot von Spiel und Spoprt an der Hauptwache nachgefragt wird.
Foto: Cornelius Pfannkuch

Utopien mit Speculative Futures

Auf der Rückseite des Café Hauptwache trafen sich Speculative Futures mit sechs Interessierten, um am Küchentisch der WG-Küche von Christiane Rath über Utopien zu sprechen, zu lernen und zu diskutieren. Michael Kirmes und Vitalia Safronova erläuterten die Geschichte der Utopie von Thomas Morus bis zu modernen Visionen. Dabei wurden verschiedene utopische Darstellungen gezeigt, darunter eine grüne Stadt im Einklang mit der Natur und eine utopische Gestaltung der Hauptwache als Naturparadies. die sich in Utopien ausdrücken wichtig für die Menschen sind und dass sie gesellschaftlichen Wandel unterstützen können. Sie schlugen vor, nicht nur Utopien zu entwerfen, sondern auch „Prototypien“ zu entwickeln, bei denen Utopien mit umsetzbaren „Prototypen“ verschmelzen.
Foto: Cornelius Pfannkuch
Basketball Open Gym
An zwei Nachmittagen im November verwandelten die EZB-Basketballer (EZBB) die alte Straße auf der Hauptwache in einen bunten Streetball-Platz. Das “Open Gym”-Format lud Menschen jeden Alters und Könnens ein, sich am Spielen auf den Platz zu beteiligen, was ca. 200 Personen anlockte. Mehr als 1.000 Zuschauer verfolgten das Geschehen, Personen, in wechselnder Besetzung, als Zuschauer vor Ort waren Die mobilen Korbanlagen wurden am Rande der alten Straße aufgestellt, ohne Rettungswege oder Autostraßen zu beeinträchtigen. Zum Auftakt diskutierten Mike Joseph (ehemals Stadtrat), Andrea Jürges (Stellvertretende Direktorin des DAM), sowie die EZBB-Gründer Thorsten de Souza und Philipp Wollrab die Bedeutung des Sports für die Stadtgesellschaft und forderten mehr öffentliche Sportangebote. Das große Interesse und positives Feedback während der Veranstaltung bestätigten das Bedürfnis nach solchen Angeboten im öffentlichen Raum.
Foto: Florian Wiegand

MITTE FRANKFURT – ZUKUNFT INNENSTADT
NATIONALE STADTENTWICHLUNGSPOLITIK
BUNDESMINISTERIUM FÜR WOHNEN, STADTENTWICKLUNG UND Bauwesen
BUNDESISTITUT FÜR BAU-, STADT- UND RAUMFORSCHUNG
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik gefördert.